BERaTUNG BEIM KLAVIER KAUFEN
Begutachtungen
Begutachtungen sind sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf eines Klavieres unbedingt zu empfehlen, da oft ein vermeintlich kleiner Riss den gravierenden Unterschied zwischen einem hochwertigen Instrument und einem Dekorationsstück ausmachen kann.
Ohne Fachmann geht es nicht
Nur der Fachmann kann schwer erkennbare Mängel oder Beschädigungen entdecken, wie z.B. Schäden an Gussrahmen, Resonanzboden und Stimmstock. Häufig übersteigen schon die Transportkosten den Wert eines stark beschädigten Instruments.
Keine Geheimnisse
Ich werde bei einer Begutachtung, oder Beratung am Klavier, folgende Information bereitstellen: den Wert des Instrumentes, die möglichen Kosten einer Reparatur, und bei einem Privatverkauf nenne ich ihnen eine faire Preisspanne.
Geschichte zum Thema Klavierkauf
Es gibt so viele Dinge die zu beachten sind, deshalb möchte ich eine kleine Geschichte zum Thema Klavierankauf erzählen, wie ich sie so oder so ähnlich x-mal von Kunden gehört habe, in der Hoffnung, dass Ihnen so etwas nicht widerfährt:
„Unsere Tochter (8 Jahre) wünschte sich zu Ihrem Geburtstag ein weißes Klavier, kein E-Piano oder anderes elektrisches Piano, nein, unbedingt ein weißes, richtiges Klavier.
Die Suche auf verschiedenen Portalen war nicht einfach, aber am Ende erfolgreich. Wir fanden ein gebrauchtes weißes Klavier, sogar mit passendem Klavierhocker, in Dortmund und entschlossen uns, das Instrument mit unserem Freund, der ein Fahrzeug mit Anhänger hatte, zu kaufen.
Zu erwähnen sei noch, dass das Klavier nur 800 Euro kostete und es so gut in unseren Preisrahmen passte, der Klaviertransport natürlich nicht mitgerechnet.
Am Wochenende fuhr ich also mit meinem Freund nach Dortmund. Das Klavier stand in einem Wohnzimmer, nett dekoriert mit Bildern, und der Verkäufer war uns auf Anhieb sympathisch. Es würde niemand darauf spielen, es wäre ein Erbstück, aber als Deko zu schade. Das Klavier sei ca. 100 Jahre alt und jede Taste gäbe einen Ton.
Das probierte ich natürlich aus, und ja, es spielte, auch wenn manche Töne schief klangen, aber das würde ein Klavierstimmer schon richten. Auch die Klaviertastatur machte einen ordentlichen Eindruck.
Also kauften wir das Instrument und mein Freund holte einen kleinen Rollwagen, um es damit besser bewegen zu können. Das erste Problem war jetzt, das Instrument mit seinen min. 280 kg auf den Rollwagen zu heben, was unter ziemlicher Anstrengung auch glückte. Froh darüber rollten wir es vorsichtig zur Haustür, durch die Haustür auf den Treppenansatz. Den hatten wir nicht bedacht, es gab keine Rampe, keine Bretter, die wir hätten auslegen können, also … tragen.
Ein Klavier mit seinem Gewicht frei zu tragen, ist schon eine Herausforderung, aber damit die 3 Stufen zu gehen, eine Katastrophe. Wir kamen zu zweit gerade bis zur ersten Stufe. Unmöglich dieses „Monstrum“ hinunterzutragen, ohne Schaden an Rücken oder Instrument zu riskieren.
Der Verkäufer (mit Rückenproblemen) konnte nicht mit anfassen, fragte aber einen Nachbarn. Der kam mit seinem kräftigen Sohn und nach 15 Minuten stand das Klavier endlich im Anhänger. Schwer atmend band mein Freund das Instrument fest, und wir fuhren heim. Wie transportieren die Firmen bloß ihre großen Flügel???
Unterwegs organisierte ich noch Helfer für unsere kleine Treppe und dann endlich: das Klavier steht an seinem Platz! Ein kleines Abenteuer, aber als ich das Gesicht meiner Tochter sah, war die ganze Mühe, und ein leichtes Stechen im Rücken, verflogen.
Sie strahlte und legte gleich los. Hoch und runter, leise und laut, mit gedrücktem Pedal, ohne Pedal, und ich sollte erwähnen, ein Klavier kann ganz schön laut sein. Auch unsere Tochter bemerkte die Verstimmung des Instrumentes und ich versprach, mich schnellstens darum zu kümmern.
Ich beauftragte einen Klavierbauer, der dann auch pünktlich erschien. Ich bat ihn, ein mündliches Gutachten zu machen und es zu stimmen.
Erstaunlich dann, was er alles am Instrument entfernte, die Klappen oben und unten, den Deckel und die Mechanik. Das dauerte 2 Minuten und das würde ich mir auf jedem Fall für einen weiteren Klaviertransport merken.
Nun sahen wir zum ersten Mal ein Klavier von innen und waren erstaunt über die Konstruktion des Gussrahmens, der Stege, die Anordnung der Saiten und wir sahen auch Unmengen an Staub. Ein leeres altes Glas stand auch unten im Klavier, wahrscheinlich sei da vor 50 Jahren einmal Wasser drin gewesen, um die Luftfeuchte zu erhöhen, teilte uns der Klavierbauer mit.
Jetzt erzähle ich ihnen, was der Klavierbauer zu unserem weißen Schätzchen meinte:
Zuallererst wies er auf diverse kleine Risse im Resonanzboden hin, im unteren Teil des Klaviers. Nicht tiefe Risse aber eben doch einige. Auch im unteren Teil, dort wo die Saiten langlaufen, war an einigen Stellen Rost zu erkennen, in dem Alter fast normal und nicht schlimm, wenn die kupferumsponnenen Saiten dann wenigstens klingen. Der Klavierbauer spielte die Basssaiten einzeln an und auch unsere ungeschulten Ohren bemerkten schnell Unterschiede. Manche Saiten klangen dumpf, andere Saiten klangen gut. Oh weh, dachte ich, das fängt ja gut an. Und ja, es kam noch schlimmer.
Wir schauten uns als nächstes die Mechanik an, auch von vorne, und da sahen wir tief eingespielte Filzhämmerchen, die Dämpfer und deren Filze sahen auch nicht mehr so toll aus. Da hatten sich vor langer Zeit mal Motten über den reich gedeckten Tisch hergemacht. Jetzt verstanden wir auch, warum manche Töne länger klangen als andere, die Dämpferfedern waren einfach zu locker. Der Klavierbauer bemerkte anscheinend meine aufkommenden Zweifel, ein „Schätzchen“ erworben zu haben und beruhigte mich mit den Worten, das passiere vielen, aber sei kein Grund zur Sorge. Eine Mechanik-wartungsarbeit würde in meinem Fall nur knapp über 1000,- € liegen, dann wären neue Hämmer, neue Filze, neue Dämpfer und Federn verbaut und die Mechanik für eine weitere Generation gut bespielbar. Nicht, dass mich das wirklich beruhigte. Im Innern sah ich schon, wie ich mit meinem Freund das Klavier in den Garten schob, um es dann mit Blumen zu bepflanzen.
Aber wir sind ja noch nicht am Ende der Begutachtung: der nette Herr holte also seine Stimmgabel und einen Stimmhammer aus seinem Werkzeugkoffer und schlug mit der Stimmgabel gegen das Klavierinnere und das a1 mit seinen 440 Hz klang sauber und klar, aber auch nur ohne das Klavier à anzuschlagen. Das a1 war 2 Tasten (oder Töne) tiefer. Wenn ein Instrument lange Zeit (manche über Jahrzehnte) nicht gestimmt wird, ist das nicht weiter schlimm und die Tonhöhendifferenz lässt sich mit mehreren Stimmungen beheben.
Dann setzte der Klavierbauer den Stimmhammer an und regulierte das a1, bzw. er versuchte es, denn: er drehte nach rechts, der Ton wurde höher, er ließ den Stimmhammer los, und wie von Geisterhand ging der Hammer wieder nach links, in die alte Position. Dieses „Schauspiel“ wiederholte sich bei anderen Versuchstönen, im Bass, wie oben, im Diskant. Fazit: die Stimmwirbel müssen ersetzt werden. Kosten ab 1600,-€. Nebenbei waren auch hier gut sichtbare, diverse Rostansätze an der Bassbesaitung zu erkennen. Ein Risiko beim Spannen, die Saite könne schnell reißen.
Der Klavierbauer beendete sein Werk und baute das Klavier wieder zusammen. Auf meine Frage, was er ehrlich dazu meinte, kam folgender Satz: „Ich restauriere sehr gerne ältere Instrumente, aber in diesem Fall wäre das Risiko zu groß, am Ende enttäuscht zu sein, und 3000,-€ oder mehr zu investieren, stünde in keinem Verhältnis.
Zum Glück fragte er nicht: „Haben sie einen Garten?“
Liebe*r Leser*in, ich schreibe nicht über den Gemütszustand unserer kleinen Tochter, als sie erfuhr, dass ihr geliebtes weißes Schätzchen wieder gehen muss. Selbst die Zusage, dass wir ein anderes finden würden, beruhigte sie nicht wirklich. Aber ich kann ihnen heute mitteilen, dass wir ein anderes Klavier bei einem Fachmann fanden, inkl. des Transportes. Es war nicht viel teurer, aber mit Garantie und das Beste: wir erfreuen uns täglich an den Fortschritten unserer Tochter, die ihr neues weißes Schätzchen nicht mehr hergeben wird.